Der Weg aus der Vaterwunde
Mannsein hängt direkt mit dem eigenen Vater, den man verlassen hat, zusammen. Er war das Muster von Männlichkeit schlechthin. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man – der Sohn meint vielleicht, er sei ein anderer. Die Frau und die ihn kennen sagen: Du bist wie dein Vater.
Bei einer Entwicklung zu einer reifen Männlichkeit kann man also den eigenen Vater nicht umschiffen – er versperrt den Weg zuverlässig. Mit derzeit ca. 170 Männern in CMT – Trainingsgruppen rund um Stuttgart gehen wir einen Weg selbst und auch mit unseren Männern in mehreren CMT-Gruppen. Wie sieht er nach unserem derzeitigen Kenntnisstand aus?
- Meiner Passivität im beziehungsnahen Bereich ins Auge sehen – Hinsehen
Viele Männer sind passiv. In der Kommunikation zuhause sind sie spärlich – sie werden an den Rand der Familie gedrückt. Dies hat die Ursache im eigenen erlebten Vaterschaftsverständnis. Wie war mein Vater? Bin ich wirklich so grundlegend anders als er? Was für ein Erbe hat er mir „aufgedrückt“?
- Schritt: Die Vaterverwundung wahrnehmen, hinsehen, zulassen, den Schmerz spüren wollen, nicht mehr verdrängen oder kompensieren wollen. Meine Vaterwunde wahrhaben wollen – warum? … Weil sie mir etwas bringt, wenn ich es schaffe, sie zu transformieren. Mein Vater war nicht schlecht – aber er hatte Fehler, und die haben zu einem schadhaften „Betriebssystem“ in meiner Seele geführt!
- Der eigenen Identitätslosigkeit begegnen
„Untervaterte“ spüren ein Identitätsloch. Ihr Selbstwert ist angekratzt, sie können sich schlecht wehren, sie füllen wenig Raum in Gemeinschaften aus. Weil ihnen der Vater wenig Wert zugemessen hat, messen auch sie sich wenig Raum zu und suchen lebenslang nach einem Platz in dieser Welt und können ihn nicht richtig finden, soviel Mühe sie sich auch geben.
- Schritt: Freunde suchen, ein CMT besuchen, andere Männer fragen: „Wie wirke ich auf dich?“ Bin ich mannhaft, kann ich mich ermannen, stehe ich oder knicke ich zu schnell ein?
- Vaterschaft für das verwahrloste, ausgebrannte innere Kind übernehmen
In mir lebt immer noch das Kind, das ich war: meine Seele. Ich gehe mit diesem inneren Kind so um, wie meine Eltern mit mir umgingen. Wichtig ist, dass ich mit diesem verletzten, in die Ecke gedrängten Kind wieder Kontakt aufnehme und mit ihm spreche, wie David mit seiner Seele sprach: „Lobe den Herrn, meine Seele!“, „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“, „Sei nur stille zu Gott, meine Seele!“, „Sei nun wieder zufrieden, meine Seele!“). David nahm ernst, wie sich seine Seele fühlte, und drückte das klar aus.
- Schritt: So gütig und erwachsen mit mir umgehen, wie ich mir (rosarot) versuche vorzustellen, wie mein himmlischer Vater mit mir umgehen würde. Später auch dem Kind in mir sagen: Ich habe dich lieb, ich stehe zu dir, ich will auf dich hören, ich verlasse dich nicht, verteidige dich, will dir geben, was dir gut tut.
- In Augenhöhe mit dem Vater kommen
4.1 Schuld eindeutig gründlich feststellen und dann vergeben.
Das Unrecht, das ich von meinem Vater erlitten habe, beim Namen nennen, Aufhören mit der Schwamm-drüber-Methode, die Vergebung verhindert. Jeder Richter muss die Schuld erst mal eindeutig festlegen, bevor er verurteilen oder begnadigen kann. Vergeben heißt auch, keine Ansprüche mehr stellen, auf Nachforderungen verzichten, dass er sich noch ändert, und Schluss machen mit Passivität, Gleichgültigkeit, Feigheit und Neutralität. Wieder der Sohn dieses Mannes sein wollen.
4.2 Sich dem Vaterschmerz stellen – den Vater-Brief schreiben
Einen Brief an den leiblichen (!) Vater schreiben: seine guten Seiten, seine Schuld und Versäumnisse feststellen (nicht abschicken!). Konkret Trauer über meinen Defiziten spüren.
4.3 Den Kontakt zum eigenen Vater wieder aufnehmen und es versuchen, ihm ein guter aber auch erwachsener Sohn in Augenhöhe zu sein.
Schritt 4: Einen Vater-Brief schreiben und mit anderen reflektieren.
- Als Sohn des himmlischen Vaters in dieser säkularen Welt religiös leben
Sich ein neues Selbstverständnis geben im Kopf hilf wenig – es muss unter Freunden eintrainiert werden. Man braucht stabilisierende Freunde – allein sich segnen lassen mag ein Anfang sein – Männer lernen in Gemeinschaft mit anderen Männern.
Schritt 5: Was unternehmen mit anderen – Männlichkeit abfärben lassen.
- Sich Zeit nehmen für den bewussten Umgang mit anderen Männern
Aktiv die Freundschaft mit anderen Männern suchen. Raus aus dem Schneckenhaus – Austausch von Herz zu Herz – nicht nur über Dinge und Arbeit. Sich zutrauen Freundschaften aufzubauen und zu halten.
Schritt 6: Aktiv sich mit Männern umgeben – am besten 1 mal pro Woche oder mehr.
- Seine Sexualität transformieren – siehe Kapitel Sexualität im CMT-Handbuch
8 Selbst ein Vater für andere werden
8.1 Innerlich aufrüsten für die „Die große Aussprache“ mit Autoritätspersonen
Wenn es möglich ist, einen Weg zum Herzen meines irdischen Vaters suchen und seinen Segen „abholen“. Ihn Fragen: Wie war dein Vater? Was gibt dir das Gefühl von Befriedigung? Was war die traurigste Zeit deines Lebens? Was war dein größter Erfolg? Was war dein größter Misserfolg? Wie siehst du deine Mutter? Wie hast du mich als Kind gesehen? Wie siehst du mich, meine Stärken, meinen „Ruf“?
Vorsicht: dafür innerlich aufgerüstet sein – es kann dabei auch große Enttäuschungen und neue Verletzungen geben! Sich vor neuen Verletzungen und Beschämungen schützen. Wichtig ist der innere Verzicht auf die Erwartung, dass sich mein Vater noch ändert! Der etwas Erwartende wird immer enttäuscht, wenn er es nicht bekommt.
8.2 Ersatzvaterschaft erleben
Mein leiblicher Vater, auch wenn er noch lebt, wird sich vielleicht nie ändern und mir das geben können, was ich brauche. Deshalb brauche ich temporär Ersatzväter, ältere, reife Christen, die mir ein Stück Bestätigung, Interesse, Anliegen für mich zeigen können. Den Mut aufbauen, auf sie zuzugehen, etwas anzunehmen, aber auch, falls nötig, sie zurecht zu bringen. Die Augenhöhe mit ihnen halten ist wichtig – nie mehr kuschen.
8.3 Den anderen fokussieren
Güte und Gnade entwickeln für die Umstände anderer, nicht mehr verurteilen, sondern Großmut und Liebe entwickeln, eine Sicht entwickeln für andere, initiativ werden und andere mal anrufen, echtes Interesse am Entstehen neuer Leiter haben, nicht mehr eine Dienstvorführung machen, sondern eine Dienstübertragung einfädeln, andere groß rauskommen lassen anstatt selbst zu glänzen, auf große Shows verzichten, anderen etwas zutrauen und dabei hinter ihnen stehen.
Den Segen des Vaters empfangen – anderen ein segnender Vater sein !